Teil 2
Vor 80 Jahren:
Das Kriegsende in Soyen
Einen Markusbittgang nach Kirchreit, den Pfarrer Huber für 29. April angesetzt hatte, sagt er während der Frühmesse kurzfristig ab. Offenbar zurecht: „In diesem Augenblick geht ein Gedröhn und Knattern los, wie wir es bislang noch nicht gehört haben. Ein Pfeifen und Fauchen, ein Poltern und Krachen erfüllt den Kirchenraum, als ginge die Welt unter. Ein massiver Tieffliegerangriff!“ Kurz später geht Huber alleine nach Kirchreit und beschreibt, was er sieht: „Soweit der Blick geht von der Kirchreiter Höhe aus rauchen die Straßen. Ein großer Brand lodert Richtung Ebersberg. Zwischen Berger und Altensee liegen drei große Wehrmachtswagen in einem Flammenmeer auf der Straße.“
Die Übermacht der Amerikaner war längst nicht mehr zu übersehen. In vielen Gemeinden hofft man damals auf eine schnelle und kampflose Übergabe, um Leben und Besitz zu schonen. Doch umso stärker die Präsenz von Partei und SS vor Ort ist, umso problematischer scheint dieser Wunsch. In der Pfarrei Rieden gibt es laut Pfarrer Huber zunächst wenig Grund zur Hoffnung auf einen milden Ausgang: „1. Mai. Die Front rollt heran. Unentwegt donnern Kanonen. In der Gegend von Kirchreit ist man in großer Aufregung. (…) SS und Volkssturm sind aufmarschiert. Stündlich erwartet man den Beginn militärischer Operationen. Niemand wagt es, den Befehlen der SS zu widerstehen. Die Pistolen dieser Leute sitzen locker.“ Es sei eigentlich höchste Zeit zur bedingungslosen Kapitulation, so notiert der Pfarrer, doch auch am Folgetag, dem 2. Mai, sieht es noch nicht danach aus: „Ganz Kirchreit ist voller SS Leute. Die ganze Nacht haben sie gesoffen und Orgien gefeiert. (…) Ein Knabe in Soldatenuniform steht vorm Feuerwehrhaus auf Posten. Das Gewehr schlägt ihm an die Knöchel. Er weint fast.“ Kinder und Besoffene waren es also, die da zum sinnlosen Endkampf bereitstehen. Doch nun melden Vorposten die endgültige Ankunft der Amerikaner unten an der Straße. Pfarrer Huber hält fest: „In dem Augenblick türmt die ganze SS, alles dalassend bis auf ihre Räusche.“
Fortsetzung folgt
Teil 1
Vor 80 Jahren:
Das Kriegsende in Soyen
23. April 1945. Eine Insel im sturmgepeitschten Meere der Welt ist bis heute noch unsere Gegend gewesen.“ So schreibt der damalige Pfarrer von Rieden, Johann Huber, in seinem Bericht zum Kriegsende, der im erzbischöflichen Archiv bis heute erhalten ist. Sicher hatte auch er schon ab 1944 die unzähligen Flieger beobachtet, die über Rieden zu Luftangriffen gegen die Städte flogen. Nun, kurz vor dem Zusammenbruch des Dritten Reichs, sei es aber endgültig mit der Ruhe vorbei.
„Wenn man auch in Rieden und den weltverlassenen Gefilden der Schlicht – jetzt den glücklichsten der Welt – noch kaum viel merkt, so braucht einer nur an die Straße Haag- Wasserburg zu kommen. (…) Auf Fahrrädern, Motorrädern bahnen sich die höchsten Offiziere der geschlagenen, flüchtenden Wehrmacht irgendwohin den Weg. (…) In Luxuswagen mit eingeschlagenen Fenstern eilen hohe Parteileute von Norden nach dem Süden.“
Am 25. April berichtet der Pfarrer von einem Luftangriff auf die Bahnlinie. Ein Flüchtlingszug wird getroffen, es gibt Tote, die in den Pfarrstadel gebracht werden. „Von der Partei, der großen Wortführerin vergangener Tage, kümmert sich kein Mensch um die Toten. Die Partei ist in Agonie. Man erlebt da tragikomische Dinge. Gestalten, die Götter dünkten, machten Gesichter, als hingen sie schon am Galgen. Ganz zusammengehauen schaut der Schulleiter darein.“ Der, den der Pfarrer nur den „Hundertprozentigen“ nennt, hatte ihn noch Tage zuvor ermahnt, dass Schulkinder nach wie vor mit ‚Heil Hitler!‘ zu grüßen hätten.
Fortsetzung folgt
Die Landkarte der Gemeinde Soyen 1945